Epitaph der Familie des Bürgermeister Christian Schwarz
Epitaph der Familie des Bürgermeister Christian Schwarz

Epitaph der Familie des Bürgermeister Christian Schwarz

geb. 1581 - gest. 1648

Dreiteiliges, ca. 3 x 2 m großes Barockepitaph in Ölmalerei auf Holz in reich ornamentiertem und vergoldetem Knorpelwerkrahmen mit zwei Familienwappen.
Die unterste Tafel ist ein Schriftmedaillon mit einen lateinischen Text, der den gesellschaftlichen Rang des Stifters und die Familiengeschichte erklärt.
Die mittlere Tafel stellt den Stifter und seine Familie in einer Gebetspose dar, auf der rechten Seite auch seine Tochter Anna Sibylla (1621 - 1638), die als Dichterin bekannt wurde (die junge Frau ohne Haube, re. Bildteil).
Die oberste Tafel zeigt eine „Ecce homo“ (= Seht, welch ein Mensch) - Darstellung nach Rembrandt.

Übersetzung der lateinischen Schrifttafel:
„Herrn Christian Schwarz, herzoglichem und Provinzial-Rath, Ratsherr dieser Stadt, der seine Ehefrau Regina Völschow und seine Kinder Georg und Sibylla [ins ewige Leben] vorausgeschickt hat und am 18. Juli 1648 im Alter von 67 Jahren aus diesem irdischen Leben gottesfürchtig hingeschieden ist, [haben] die Hinterbliebenen Kinder [dieses Denkmal errichten lassen]: Regina, des Herrn B. Krakevitz übriggebliebene Witwe, Christian, Doktor beider Rechte und Kämmerer der Stadt Stralsund, Joachim, Greifswalder Bürger, Emerantia, des Doktors und Professors Peter Kirchain Ehefrau, und Georg, Bürger.“

Ein Gebet von Sibylla Schwarz:
O laß mich doch mein Gott, von deiner Liebe wegen,
die Liebe dieser Welt aus meinem Herzen legen.
Laß deinen Freuden-Geist mich trösten für und für,
und wenn mich alles läßt, so bleib nur du bei mir.
(Die Rechtschreibung wurde an die heutige angeglichen)

Ein Leben im Dreißigjährigen Krieg: Sibylla Schwarz

Die erste Frau, die Greifswald Namen im ganzen deutschen Lande berühmt gemacht hat, ist in ihrem historischen, frühneuzeitlichen, der weiblichen Lebensform adäquaten Raum, dem der Kirche, noch immer wahrnehmbar. Im Dom St. Nikolai befindet sich im südlichen Seitenschiff auf einem Epitaph ein Bildnis der pommerschen Nachtigall Sibylla Schwarz. Diese von Zeitgenossen hoch geschätzte und von Barockforschern dem literarischen Kanon zugerechnete Dichterin lebte zwar ein äußerst kurzes Leben (1621 in Greifswald geboren, 1638 in Greifswald verstorben), aber ein völlig dem Schreiben als Lebensbedürfnis verpflichtetes. Bereits dieses Selbstverständnis stellte sie auf die Seite der verehrten (männlichen) gelehrten Dichter. Ihr für ein siebzehnjähriges Mädchen, das zudem ab dem achten Lebensjahr die Rolle der Hausherrin hatte übernehmen müssen, recht umfangreiches Werk zeugt von diesem Selbstverständnis, aber auch von Selbstbewußtsein. „Wieder den Neid“ – das war eines der Themen ihrer Gedichte:

Hatt zwar die Mißgunst tausendt Zungen/
Und mehr dan tausend ausgestreckt/
Und kompt mit Macht auf mich gedrungen
So wird ich dennoch nicht erschreckt:
Wer Gott vertrawt in allen dingen/
Wirdt Weldt/ wird Neidt/ wird Todt bezwingen.

(...)

Vermeynstu/ daß nicht recht getroffen/
Daß auch dem weiblichen Geschlecht
Der Pindus allzeit frey steht offen/
So bleibt es dennoch gleichwohl recht/
Daß die/ so nur mit Demuth kommen/
Von Phoebus werden angenommen.

(...)

Was Sappho für ein Weib gewesen
Von vielen/ die ich dir nicht nenn/
Kanstu bey andern weiter lesen/
Von den ich acht und fünffzig kenn/
Die nimmer werden untergehen/
Und bey den Liechten Sternen stehen.

Allein mit der Gegenwärtigkeit des Topos in der zeitgenössischen Dichtung diese Bevorzugung durch die Dichterin zu erklären, verkennt einfach die Konfliktsituation, in der das junge Mädchen mit ihrem Dichten stand: Eine Betätigung, zu deren Funktionen damals die Herstellung und Vertiefung sozialer Reputation und sozialen Prestiges gehörten. Prestige war aber für Frauen, gleich welchen Standes, allein über den zu heiratenden Ehemann zu erlangen. Nur das war bis in 20. Jahrhundert hinein der anerkannte Weg für (bürgerliche) Frauen, sich sozial abzusichern oder, wenn es gut lief, gar aufzusteigen. Die Grundlagen für diesen Rollenkonflikt legte, auch das ist symptomatisch, der Vater, der Greifswalder Ratsherr und spätere Bürgermeister Christian Schwarz. Er ließ seiner Tochter eine gediegene, d.h. männliche Bildung angedeihen. Sibylla besuchte eine der wenigen den Bürgertöchtern zugängliche Jungfrauenschulen und erlernte bei einem väterlichen Freund, dem Magister Samuel Gerlach, die lateinische Sprache. Zu ihrer Lektüre gehörten die zeitgenössischen Dichter und Gelehrten, allen voran Martin Opitz mit seinem die zeitgenössische Poesie grundlegend reformierenden „Buch von der teutschen Poeterey“ (1630). Ihre Gedichte, vor allem die der Gattung der geselligen und geistlichen Liedpoesie zuzurechnenden, gehören zu den ersten gelungenen praktischen Zeugnissen der neuen Opitzschen Poetik. Die gegenwärtige Forschung konstatiert verwundert die Kluft zwischen dem avancierten Standard europäischer Liedpoesie, den Schwarz erfüllt, und ihrem Leben in einem der entferntesten Winkel des deutschen Reiches.
Neben der artistischen Qualität weisen ihre Texte eine spezifische Ausgestaltung der Freundschaftsthematik aus. Immer wieder besingt das Ich die tiefe Bindung zur Freundin Judith Tank.

Nun mein Lieb/ du solt auch spüren/
Wie getreu ich bleiben will;
Ich will deinen namen führen/
Weil du bist mein höchstes Ziel;
Wo man meine Schriften kennet/
Sol dein Nahm auch sein genennet.

Sicher spielt für die Bewertung eine Rolle, daß Sibylla Schwarz sehr zeitig, als Achtjährige, ihre Mutter verloren hatte und sich der enge Anschluß an Freundinnen für die – modern ausgedrückt – weibliche Identitätsfindung als ein Ausweg zum früh fehlenden Vorbild der Mutter anbot. Dazu kommt die exzeptionelle Wertigkeit des Freundschaftsthemas in der Dichtkunst, was den Gestaltungswillen der jungen Schreibenden herausgefordert haben mag.
Höchstes Glücksgefühl spricht das Ich der Gedichte aus, wenn diese Liebesfreundschaft auf dem Landgut der Familie Schwarz in Fretow, nördlich unmittelbar hinter Greifswald gelegen, erlebt wurde.

Wie die Ulmen Üm den Reben
gleichsam als verliebt sich drehn:
Also wündscht ich auch/ mein Leben/
bey dir umgefast zu stehn/
und dir etwas vorzusagen
von den süssen Liebes=Plagen.

Darüm will ich mich bemühen
auff mein Fretow einzuziehn/
und mein Leben selbst zu fliehen/
weil ich sonst erstorben bin/
alß denn wird sie mich erfreuen/
und mir meinen Geist erneuen.

Darüm will ich gerne lassen/
der Tollense Liebligkeit/
will mein Leben selbst nicht hassen/
weil es nuhr erlaubt die Zeit;
weg mit disen schlechten Auen
ich will bald mein Fretow schauen.

Fretow las locus amoenus, als lieblicher Ort! Das pommersche kleine Landgut, die bäuerliche Umgebung nun auf einer Stufe mit dem Paradies, dem Land Arkadien – wie dieser Topos auch immer topographisch ausgemalt wird. Die Annehmlichkeit des Ortes und die Verwirklichung geselliger Tugenden verknüpfen sich (...) mit der Vergegenwärtigung einer arkadischen Szenerie, in der sich das pommersche Landgut gleichsam in einen Ort poetischer Inspiration und antik-archaischer Würde zurückverwandelt. Dieses Fretow, das irdisch Paradeiß, wird Ende 1637, Anfang 1638 – es herrscht der Dreißigjährige Krieg – von den Schweden zerstört, was in Sibyllas Klage in eins gesetzt wird mit der Zerstörung des Ortes er Musen, des Raumes der Freundschaft und der Dichtkunst. So kann allein im Gedicht dieser Ort weiterleben, als Symbol für Freude, Leben, Fröhlichkeit, Kunstsinnigkeit.

Aus: Frauen in der Geschichte Greifswalds von Monika Schneikart, in: Wernicke, Horst (HG) 2000: Greifswald. Geschichte der Stadt. Rostock: Thomas Helms Verlag

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