Predigt Himmelfahrt 2020

„In weiter Ferne so nah“ – so heißt ein berühmter Film von Wim Wenders. Er handelt von zwei Engeln: Ariel und Cassiel. Der eine lebt auf der Erde. Der andere, Cassiel, im Himmel – und er leidet darunter, dass er die Menschen immer nur trösten soll, ohne wirklich in ihr Schicksal eingreifen zu können. Als er es einmal dann doch tut – und ein Mädchen rettet, das vom Balkon gefallen wäre – da wird er selbst ein Mensch  - und nun streift er umher im Berlin zur Zeit des Mauerfalls und erlebt wie sehr unsere Welt aus den Fugen ist. Am Ende stirbt er – was für ihn heißt, endlich wieder zurückzukönnen: wo er herkommt. In weiter Ferne - so nah.

Ein moderner Versuch, sich die Jesus-Geschichte neu zu erzählen. Da kommt einer von Gott – teilt hier das Leben der Menschen – und zum Schluss geht’s zurück – in den Himmel. So etwas erzählt ja Lukas die Jesus-Geschichte. Und so bekennen wir „Aufgefahren in den Himmel …“

Und da ist er jetzt noch. Ziemlich weit weg – für uns. Oder gerade nicht? „In weiter Ferne so nah!“ Was heißt hier Nähe und was Ferne?

Liebe Zeitgenossen des denkwürdigen Corona-Frühlings 2020. Darüber wird ja zur Zeit viel geredet: Über Nähe und Distanz. Wann kommen sich Menschen gefährlich nahe – zu nahe? Bei fröhlichen Herrentagsrunden oder im Fußballstadion oder in Kinderkrippen oder in engen Kirchenbänken oder beim Segen zur Konfirmation …

Was  heißt „Sich nahe kommen“?
Weniger als 2 m! So lautet die neue Corona-Definition von Nähe. Letzten Samstag haben wir unsere Vorkonfis hier auf der Domwiese zu einem Gottesdienst eingeladen. Zwischen jedem Stuhl lag ein blauer 2-m-Faden. Damit sich niemand zu nahe kommt. Aber: Abstand zu halten verbindet ja auch! Wie ein Kristall. Und dann haben wir gespielt – wie man sich in solchen Kristallen aus 2-m-Abständen um die Wette bewegen kann …

Kamen die Konfis sich dabei zu nahe? Nicht näher als erlaubt! – aber vielleicht näher als man denkt!

Wir wissen alle: Menschliche Nähe ist noch etwas ganz anderes als diese zu messende. Manch einer steht einem näher, auch wenn er weit weg ist – aber wir können telefonieren oder aneinander denken oder eines Geistes sein oder füreinander beten… Das schafft Nähe.

Andere bleiben uns fern, auch wenn sie beim Edeka in 50cm Abstand an uns vorbeischleichen – weil uns nichts verbindet oder wir keine Erfahrungen miteinander teilen.

Und wie ist es mit Jesus?
Einerseits steht er uns maximal fern: über 2000 Jahre trennen uns – eine fremde Kultur – eine fremde Alltagswelt – Da könnte man ganz schön viele 2-m-Bändchen aneinanderknoten.

Und doch ist er mir auch näher als viele andere Menschen: viele Geschichten, die von ihm erzählt werden, sind mir vertraut. Viele Worte, die ihm zugeschrieben werden, kenne ich auswendig. Manche spreche ich nach – das Vaterunser z.B. – viele Überzeugungen von ihm teile ich – oder versuch es – Was würde Jesus zu diesem oder jenem Problem sagen? Eine Frage, die ich mir oft stelle. (Z.B. zu unserem neuen Masken-Chic oder zu unseren Sorgen … nicht singen in der Kirche? Geht’s noch? Oder würde er sagen: ganz recht! Liebe deinen nächsten wie dich selbst! In solch ernstem Fragen bin ich ihm nahe!)

Ich denke man kann sagen: Christlich Glauben heißt, sich Jesus nahe zu fühlen. Obwohl er weit weg ist – da oben – oder gerade, weil er „da oben“ ist – bei Gott – und deshalb gar nicht weit weg. Im Gegenteil!

Weil er ausgestiegen ist aus der Geschichte, aus unserer Welt, wo alles vergeht und ferner und ferner ist, je mehr Zeit vergeht. Mit Jesus ist das anders. Er ist gar nicht 2000 Jahre weit weg – sondern gleichzeitig mit mir – da oben.

Das ist, glaube ich, die Pointe von Himmelfahrt: Da oben ist er mir viel näher als dort in Israel vor 2000 Jahren! Weil „da oben“ eben nicht „ganz weit weg“ meint – sondern im Gegenteil: unmittelbar zu meiner Gegenwart: hier und jetzt vor dem Greifswalder Dom Mai 2020 – hier in meinem Herzen – hier und jetzt in unserem Miteinander – hier und jetzt, wenn wir die Bibel lesen. Da ist Jesus.

Weil er im Himmel ist: Und weil er wiederkommt in jedem Augenblick. In weiter Ferne so nah!

Liebe Gemeinde,

Warum erzähle ich Ihnen das von den blauen Bändchen – und von den beiden Engeln bei Wim Wenders – die unsere Vorstellungen von Nähe und Ferne durcheinander bringen: weil genau das auch die beiden Engel in der Geschichte von Jesu Himmelfahrt tun, die wir vorhin gehört haben. Vielleicht hat Wim Wenders an sie gedacht: Da heißt es nämlich:

Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Frauen und Männer von Greifswald, was steht ihr da und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgefahren ist, ist nicht fort – ist nicht weit fort – sondern im Gegenteil: er bleibt euch ganz nahe – ja: er wird wiederkommen – in euer Herz. Von nun an bis in Ewigkeit. Amen

Fürbitten

  1. Guter Gott,
    Du hältst deinen Himmel offen für alle Menschen.
    Dafür danken wir dir.
    Wir bitten dich für alle, die diesen offenen Himmel in ihrem Leben nicht spüren,
    für Alte, die einsam sind,
    für Kranke, um die sich niemand kümmert.
    Hilf, dass auch sie deine Nähe erfahren.

  2. Guter Gott,
    Du hältst deinen Himmel offen für alle Menschen.
    wir bitten dich für alle, die in Hunger und Elend leben,
    für die von Krieg und Gewalt Heimgesuchten.
    Hilf, dass dein Reich komme, wie im Himmel so auf Erden.

  3. Guter Gott,
    Du hältst den Himmel offen für alle Menschen.
    Wir bitten dich für unsere Erde,
    die ausgebeutet und verseucht wird.
    Hilf uns, deine Schöpfung zu bewahren.

  4. Guter Gott,
    Du hältst den Himmel offen für alle Menschen.
    Hilf uns in Corona-Zeiten einander nahe zu bleiben.
    Gib deiner Kirche die richtigen Worte und das rechte Tun.
    Lass unsere Politiker verantwortlich entscheiden.
    Leite uns auf dem Weg deines Friedens.

Gemeinsam beten wir: Vater unser …

Zurück